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Informationsästhetik ist die Bezeichnung für das Gefallen von Objekten und Situationen als Funktion der enthaltenen Information. Auf Grund fehlender kleinteiliger Gliederung sind weite Bereiche der modernen Architektur für einen ästhetischen Wahrnehmungsprozess zu informationsarm. Man unterscheidet hier zwischen „Mikrostruktur“, der feinstrukturierten, kleinteiligen Gliederung im Gegensatz zur „Makrostruktur“, der Grundgestalt, der ungegliederten Großform. Damit ergibt sich auch die Unterscheidung zwischen Nahsicht und Fernsicht. Der visueller Facettenreichtum traditioneller Bauten bedeutet, dass sich dem Betrachter, je näher er herantrat, Schritt für Schritt einzelne Schichten des Ornaments in ständig kleiner werdenden Maßstab erschlossen. Da sich fortwährend Neues darbot, blieb das Auge beschäftigt und interessiert. Diese Bauten laden dazu ein, dass man näherkommt, sie betrachtet, sie in ihrer individuellen Gestalt und Eigenart wahrnimmt.

Der Informationsgehalt wurde durch die Abschaffung der Profilierung und des Ornaments minimiert. Als Mikrostrukturen stehen dem modernen Architekten u. a. nur mehr Texturen, Beschichtungen und Materialeigenschaften zur Verfügung, die oft nicht mehr sind als Applikationen. Im Dekonstruktivismus wurde der Versuch Mikrostrukturen zu erzeugen und den Informationsgehalt zu erhöhen über Auflösung großer Flächen in zahlreiche plastische Einzelteile mit Überlagerungen, Überschneidungen und effektvollen Schattenbildungen versucht, die aber meist willkürlich, oft chaotisch und technisch nicht begründet erscheinen.

 

Der Druck zur „Informationssteigerung“ und der Originalität, der Zwang ein Gebäude interessant, aufregend und provokativ zu gestalten, muss fast zwangsläufig über die Makrostruktur erfolgen, und nicht in der variantenreichen und differenzierten Ausbildung schon vorhandener Formen und Gestalten, wie es in der traditionellen Architektur üblich war.

Dies führte zu einem immer schnelleren Wechsel neuer, überraschender und teilweise extravaganter Formen. Die moderne Architektur hörte auf, ein einheitliches Aussehen zu haben, und strapaziert die Menschen durch die Gewöhnung an immer neue Grundformen. Wird die Fassungskapazität des Bewusstseins überfordert, kann das Bauwerk als Architektur nicht mehr wahrgenommen werden, sondern wirkt als willkürliche oder natürliche Materialansammlung, als unfertiges Gebilde oder bestenfalls als Großplastik.

 

In der traditionellen Architektur blieb die Grundform meist gleich. Entfernt man alle Ornamente und Gliederungen bleibt meist eine banale rechteckige Kiste mit Bedachung zurück. Erst die Mikrostruktur bietet dem Betrachter ausreichend ästhetische Informationen und lässt ihn schauend und suchend verweilen uns so kann man behaupten: Je länger der Prozess der Wahrnehmung im Bereich der Mikrostruktur dauert und je öfter er wiederholt werden kann, desto schöner ist - schließlich und endlich - das Bauwerk.

Informationsästhetik

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